Was Sie über medizinisches Cannabis wissen sollten (2024)

Droge als Medikament

Bei welchen Leiden kommt es infrage? Wie wird es verabreicht? Und übernimmt die Kasse die Kosten? Antworten auf Fragen zum Thema.

Von Dr. rer. nat. A. Schneider (Molekularbiologe), Dr. C. Heinrich , Aktualisiert am

Was Sie über medizinisches Cannabis wissen sollten (1)

Welche pharmakologisch wirksamen Substanzen stecken in medizinischem Cannabis?

Vor allem zwei Inhaltsstoffe von medizinischem Cannabis sind für die Wirkung verantwortlich: Tetrahydrocannabinol (THC), auch bekannt als Dronabinol, und Cannabidiol (CBD). THC kann aktivieren, stimmungsaufhellend und körperlich mobilisierend wirken, zudem kann es Brechreiz dämpfen. CBD hingegen wirkt unter anderem angstlösend und entzündungshemmend.

Bei welchen Krankheiten wird medizinisches Cannabis eingesetzt?

Im Moment wird medizinisches Cannabis vor allem bei chronischen Schmerzen, multipler Sklerose, Krebserkrankungen und Spastiken verordnet. Zudem kommen dafür prinzipiell noch viele anderen Krankheiten infrage.[1]

Was sind häufige Nebenwirkungen?

Der Gebrauch von medizinischem Cannabis kann eine Reihe unerwünschter Effekte haben. Dazu zählen unter anderem Schwindel, gesteigerter Appetit, Mundtrockenheit, Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Stimmungsschwankungen, Orientierungsstörungen, Benommenheit, Verwirrtheit, Gleichgewichtsstörungen und Halluzinationen. Zudem könnte medizinischer Cannabis das Risiko leicht erhöhen, eine Herzrhythmus-Störung zu erleiden. Eine Studie von 2024 im European Heart Journal liefert dafür Hinweise.

Wer darf medizinisches Cannabis verordnen?

Grundsätzlich darf jeder Haus- oder Facharzt, beziehungsweise -ärztin, medizinisches Cannabis verschreiben. Die Verordnung ist nicht auf bestimmte Krankheiten oder Symptome beschränkt, Voraussetzung ist aber, dass eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt – also eine, die lebensbedrohlich ist oder aber die Lebensqualität auf Dauer beeinträchtigt.

Unter welchen Voraussetzungen wird medizinisches Cannabis von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet?

Medizinisches Cannabis kann grundsätzlich auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen nur dann eingesetzt werden, wenn die folgenden drei Bedingungen erfüllt sind:

  • Es liegt eine schwerwiegende Krankheit vor.
  • Es steht keine andere anerkannte Behandlung für die Beschwerden zur Verfügung.
  • Es gibt ausreichend Hinweise, dass medizinisches Cannabis in diesem Fall helfen könnte.

Anders als bei anderen Arzneimitteln muss die Krankenkasse aber zusätzlich eine Genehmigung erteilen, wenn Cannabis zum ersten Mal einer bestimmten Patientin oder einem bestimmten Patienten verordnet wird. Dazu reicht der Arzt oder die Ärztin bei der Krankenkasse eine Dokumentation ein. Sie enthält eine Begründung, warum medizinisches Cannabis in diesem Fall verordnet werden soll. In einer Frist von drei Wochen entscheidet die Krankenkasse dann darüber, ob eine Genehmigung erteilt wird oder nicht.

Welche Mengen dürfen verschrieben werden?

Die Menge, die innerhalb von 30 Tagen an die gleiche Patientin oder den gleichen Patienten verschrieben werden darf, ist begrenzt. In Form getrockneter Blüten dürfen Ärzte in dem genannten Zeitraum beispielsweise bis zu 100 Gramm verordnen.

Wie lange ist das Rezept gültig?

Medizinisches Cannabis gilt als Betäubungsmittel. Die Ärztin oder der Arzt stellen dafür ein sogenanntes Betäubungsmittelrezept aus. Es ist sieben Tage lang gültig.

Welche Cannabis-haltigen Arzneimittel gibt es in Deutschland?

Wie die allermeisten anderen Arzneimittel erhält man medizinisches Cannabis in der Apotheke, natürlich nur unter Vorlage des Rezeptes. Es enthält den ärztlichen Vermerk, in welcher Form das medizinische Cannabis ausgehändigt werden soll:

  • Der Wirkstoff Dronabinol (THC) steht in Deutschland als sogenanntes Rezeptur-Arzneimittel zur Verfügung. Das Mittel wird also für die Patientin oder den Patienten persönlich in der Apotheke zubereitet, meist als ölige Tropfen zum Einnehmen.
  • Den Wirkstoff Nabilon, eine synthetische Variante von THC, und Nabiximols, eine Mischung aus Blatt- und Blütenextrakt von Cannabis, gibt es als Fertig-Medikamente in der Apotheke: Nabilon als Kapseln zum Schlucken, Nabiximols als Mundspray, das auf die Innenseite der Wangen gesprüht wird. Es enthält standardisierte Mengen von Dronabinol (THC) und Cannabidiol (CBD).
  • Zudem gibt es medizinisches Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Pflanzen-Extrakt. Beides muss erhitzt werden, damit die Inhaltsstoffe wirken. Dafür eignet sich ein Verdampfer (Vaporisator). Die Wirkstoffe der Blüten werden darin mit heißer Luft verdampft, die man dann einatmet.

Die gesetzlichen Krankenkassen erstatten die Kosten für Vaporisatoren, die als Medizinprodukt genehmigt sind. Der Antrag für das Gerät ist vorab zu stellen. Die Blüten lassen sich auch als Tee zubereiten, dann sind sie allerdings häufig weniger wirksam. Auch das Verbacken inGebäck ist laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte möglich, doch es könnte schwierig sein, die Menge zu kontrollieren.Letztendlich sollten Arzt und Patient gemeinsam festlegen, wie das medizinische Cannabis anzuwenden ist. Es wird allerdings davon abgeraten, die Blüten als Joint zu rauchen – das Rauchen schadet der Gesundheit.

Seit dem 30. Juni 2023 ist eine Neuerung in Kraft. Sie erlaubt in Ausnahmefällen kürzere Wege, um auf legalem Wege an medizinisches Cannabis zu kommen. Unter welchen Voraussetzungen?

Es gelten zwei Bedingungungen: Entweder wird das Arzneimittel dringend benötigt oder es soll für eine ambulante Palliativversorgung eingesetzt werden. In beiden Fällen muss die Krankenkasse nun innerhalb von drei Tagen über die Genehmigung entscheiden. Bei der ambulanten Palliativversorgung wird das Medikament an einen unheilbar kranken, daheim lebenden Menschen abgegeben mit dem Ziel seine Beschwerden zu lindern – beispielsweise starke, nicht anders therapierbare Schmerzen[2].

Gemäß der Neuerung bedarf es in speziellen Fällen zudem keiner Genehmigung mehr durch die Krankenkasse. Wen betrifft das?

Patientinnen und Patienten, die sich in einer sogenannten Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV[3]) betreut werden, benötigen nun grundsätzlich keine Genehmigung mehr durch die Kassen. Die SAPV ist für Menschen wegen einer fortgeschrittenen, unheilbaren Krankheit, die nur noch kurze Zeit zu leben haben. Durch den Wegfall der Genehmigungsfrist sollen sie kurz vor ihrem Tod schnell medizinisches Cannabis erhalten können, ohne dass gesetzliche Hürden dem im Wege stehen.

Wie halten es andere Ländern mit dem Zugang zu medizinischem Cannabis?

Auch im Ausland wird medizinisches Cannabis zunehmend verfügbar gemacht. In Österreich [4]etwa kann man Cannabis auf Rezept bekommen, ebenso in Spanien[5], in der Schweiz [6]und in den meisten Bundesstaaten der USA[7]. In Frankreich[8], das im Umgang mit Cannabis als besonders streng gilt, wurde der Einsatz von medizinischem Cannabis inzwischen erlaubt. Allerdings vorerst nur zeitlich befristet bis zum 26. März 2024.

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Was Sie über medizinisches Cannabis wissen sollten (2024)

FAQs

Was Sie über medizinisches Cannabis wissen sollten? ›

Medizinisches Cannabis wird unter kontrollierten Bedingungen angebaut. Seine Wirkung besteht aus den Cannabinoiden THC und CBD. Ärzte können es Patienten verschreiben, wenn es keine anderen erfolgsversprechenden Medikamente gibt, zum Beispiel bei Epilepsie, Narkolepsie oder starken Schmerzen.

Was muss man alles über Cannabis wissen? ›

Die Cannabispflanze enthält über 60 Cannabinoide, von denen das Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) psychoaktiv am stärksten wirkt. Die häufigsten Cannabisprodukte sind Marihuana (Blüten und Blätter) und Haschisch (Cannabisharz). Das Haschischöl (konzentrierter Auszug) wird selten verwendet.

Für was ist Cannabis in der Medizin gut? ›

Bei dauerhaften Schmerzen, Muskelkrämpfen, Übelkeit oder Gewichtsverlust legen Studien nahe, dass THC-haltige Medikamente Beschwerden lindern können.

Was ist der Unterschied zwischen medizinischem Cannabis? ›

Was macht den Unterschied? Die eigentlichen Unterschiede liegen nicht in der Substanz, sondern in der Qualität und Wirkstoffgehalt. Die Wirkung von Cannabis ist hauptsächlich auf die Cannabinoide zurückzuführen, die auf den menschlichen Körper und sein Gehirn wirken.

Was sollte man bei Cannabis beachten? ›

Wer mehr als 25 Gramm und bis zu 30 Gramm besitzt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Gleiches gilt, wenn jemand über 50 Gramm bis zu 60 Gramm getrocknetes Cannabis an seinem Wohnsitz besitzt. Wird die Grenze von 30 Gramm bzw . 60 Gramm überschritten, machen sich Erwachsene und Jugendliche weiterhin strafbar.

Wo darf ich mein medizinisches Cannabis rauchen? ›

Beim Kosum in öffentlich zugänglichen, aber im Privatbesitz befindlichen Räumen, gilt grundsätzlich das Hausrecht. Die Deutsche Bahn, sowie Gastronomie dürfen selbst entscheiden, ob und in welcher Form sie den Konsum von Medizinischem Cannabis erlauben.

Wo darf nicht gekifft werden? ›

Bundesweit ist es etwa an Schulen, Spielplätzen sowie Kinder- und Jugendeinrichtungen nicht gestattet, Cannabis zu konsumieren. Auch im Umkreis von 100 Metern um den Eingangsbereich ist der Konsum tabu. Von 7 bis 20 Uhr soll Cannabis zudem in Fußgängerzonen verboten bleiben.

Wie wirkt sich Cannabis auf das Gehirn aus? ›

THC bewirkt eine unplanmäßige Aktivierung der CB1 Crew (2A), welche die normalen Abläufe im Nervensystem ziemlich durcheinander bringen kann. Die Folge sind Störungen des Ablaufs der Informationsvermittlung im Nervensystem (2B), die sich ganz unterschiedlich auswirken können.

Welche Cannabis regeln? ›

Cannabis ist im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Substanzen gestrichen. Erwachsene dürfen bis zu 25 Gramm Cannabis in der Öffentlichkeit bei sich haben. Zu Hause sind der Besitz von bis zu 50 Gramm getrocknetem Cannabis sowie bis zu drei Cannabispflanzen pro erwachsener Person erlaubt.

Was ist an medizinischem Cannabis anders? ›

Medizinisches Cannabis wird unter kontrollierten Bedingungen angebaut. Seine Wirkung besteht aus den Cannabinoiden THC und CBD. Ärzte können es Patienten verschreiben, wenn es keine anderen erfolgsversprechenden Medikamente gibt, zum Beispiel bei Epilepsie, Narkolepsie oder starken Schmerzen.

Welche Rechte habe ich als Cannabis Patient? ›

Joint zu therapeutischen Zwecken ist auch in der Öffentlichkeit erlaubt. Eine ärztliche Verordnung berechtigt den Patienten, Cannabis in der Apotheke als Arzneimittel zu erstehen. Verschrieben werden meist Cannabisblüten. Auf dem Rezept muss neben der Menge auch die Cannabissorte angegeben werden.

Wie lange hält die Wirkung von medizinischem Cannabis an? ›

Je nach Menge kann die Dauer der Wirkung bei 6 bis 8 Stunden, eventuell auch bei 12 Stunden oder darüber liegen.

Welche drei Arten von Cannabis gibt es? ›

Wie bei vielen anderen Pflanzen auch gibt es vom Cannabis verschiedene Untersorten. Drei Unterarten sind besonders häufig vertreten: Hybride, Sativa und Indica.

Warum ist medizinisches Cannabis so teuer? ›

Das medizinische Cannabis wird im Auftrag der Cannabisagentur des BfArM von drei Unternehmen in Deutschland angebaut und seit Juli 2021 über ein Distributionsunternehmen vertrieben. Der Verkaufspreis ergibt sich nach einem EU -weiten Ausschreibungsverfahren aus einer Mischkalkulation aller Sorten und Anbaubetriebe.

Wann darf man als Cannabispatient Autofahren? ›

Dr. Marc Herzog: Wie für alle Autofahrer:innen gilt auch für Cannabispatient:innen: Sie dürfen fahren, wenn sie fahrtüchtig sind. Wichtig ist dabei im ersten Schritt, eine Eingewöhnungsphase von etwa vier bis sechs Wochen hinter sich zu bringen, in der man das Auto stehen lässt.

Wann gilt man als Cannabispatient? ›

Zwar ist Cannabis seit 2017 zu medizinischen Zwecken zugelassen, doch nur für Patienten mit gewissen Voraussetzungen. Um Cannabis-Patient werden zu können, musst Du an einer chronischen Erkrankung (über 3 Monate oder länger) leiden oder schwerwiegende Symptome haben.

Was halten Ärzte von Cannabis? ›

Nach der neuen Gesetzeslage können Ärzte Cannabis in pharmazeutischer Qualität schwerkranken Menschen in Ausnahmefällen verordnen. Ausnahmen sind, wenn keine dem medizinischen Standard entsprechende Alternative besteht oder der behandelnde Arzt eine andere Therapie nicht für sinnvoll hält.

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